Röntgenstrahlen werden gebrochen, wenn sie Gebiete mit unterschiedlicher optischer Dichte durchlaufen. In den meisten Fällen ist dies keine graduelle Veränderung der optischen Dichte, sondern der sprungartige Übergang an einer Grenzfläche zwischen unterschiedlichen Materialien. Am häufigsten ist die optische Brechung am Übergang von Vakuum oder einem Gas in einen Festkörper oder eine Flüssigkeit.

Brechung lässt sich mit dem komplexen Brechungsindex n* beschreiben:

mit dem Realteil n und dem Imaginärteil β (gelistete Werte für β und n) des komplexen Brechungsindex n*. Für Röntgenlicht wird dies oft geschrieben als

mit

und dem Brechzahldekrement δ. Diese Schreibweise ist für Röntgenlicht sinnvoll, da die Werte für δ positiv und sehr klein sind (z. B. im Bereich von 10-4 bis 10-6, siehe Abb. 1).

Brechzahldekrement für Röntgenlicht für einige Polymere

Abb. 1: Brechzahldekrement δ für einige Polymere, die für die Herstellung refraktiver Röntgenlinsen eingesetzt werden

Da n für Röntgenlicht für alle Materialien kleiner als eins ist, werden Röntgenstrahlen, die aus z. B. Luft oder Vakuum in eine Flüssigkeit oder einen Festkörper eintreten, von der Senkrechten auf die brechende Oberfläche weg gebrochen (Abb. 2, links). Sichtbares Licht dagegen wird im selben Fall zur Senkrechten auf die brechende Oberfläche hin gebrochen. Eine Konsequenz daraus ist, dass refraktive Sammellinsen für Röntgenlicht geformt sein müssen wie Streulinsen für sichtbares Licht, also in der Mitte der Linse dünner als am Rand (siehe CRL).

 
Röntgenbrechung   Brechung von sichtbarem Licht

Abb. 2: Richtung des gebrochenen Lichts für: Röntgenlicht (links) und sichtbares Licht (rechts) beim Eintritt aus Vakuum oder einem Gas (weiß) in eine Flüssigkeit oder einen Feststoff (grau); für Röntgenlicht ist der Winkel α2 (hier zur Verdeutlichung stark übertrieben) fast identisch mit dem Winkel α1

Die bei der Brechung auftretenden Winkel lassen sich mit dem Snell'schen Gesetz (auch Snellius'sches Gesetz) berechnen:

mit dem Einfalls- bzw. Ausfallswinkel αi und der Lichtgeschwindigkeit vi in dem Gebiet mit der Brechzahl ni . Die Brechzahl ni ist das Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c0 zur Lichtgeschwindigkeit in Materie vi :

Da das Brechzahldekrement δ sehr klein ist, sind auch die resultierenden Ablenkwinkel sehr klein.

 

Phasenverschiebung von Röntgenstrahlung beim Durchlaufen von Materie

Wenn Röntgenstrahlung einen Block der Länge L1 aus Materie mit dem Brechungsindex n = 1 - d (in Abb. 3 blau markiert), Brezahldekrement d, durchläuft, verschiebt sich die Wellenfront gegenüber einer Wellenfront, die durch Vakuum d = 0 (oder annähernd Luft). Die Welle in Materie eilt der Welle im Vakuum voraus, da der Brechungsindex in Materie kleiner als eins ist. Die Verschiebung D beträgt:

D = L1 - L0

mit den Lichtgeschwindigkeiten c0 im Vakuum und c1 in Materie und der Laufzeit t werden

L0 = c0 * t  und L1c1 * t

 ⇔ L0L1* n = L1 - D

 ⇔ D = L1* d

Wie groß muss L1 sein, damit sich bei einer Photonenenergie von beispielsweise 12,4 keV (l = 0,1 nm) in dem Polymer SU-8 (aus dem auch refraktive Röntgenlinsen gefertigt werden) eine Phasenverschiebung von l/2 ergibt? Der Wert l/2 ist wichtig, da es der kleinste Wert ist, der zu destruktiver Interferenz der beiden Wellen führt. Das Brechzahldekrement beträgt dSU-8(12,4 keV) = 1,82*10-6. Damit ergibt sich L1 = 27,5 µm. Das ist ein großer Wert angesichts einer kleinen Phasenverschiebung von nur 0,05 nm. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass Unebenheiten auf den Oberflächen einer refraktiven Röntgenlinse wesentlich größer sein können als bei einer Linse für sichtbares Licht, wo schon eine Unebenheit von nur ≈0,5 µm zu einer Phasenverschiebung von lVIS/2 gegenüber einer Lichtwellen im Vakuum führt.

X-ray phase shift

Abb. 3: Phasenverschiebung von Röntgenstrahlung beim Durchlaufen von Vakuum (unten) und Materie (blau, oben)

 

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